Zukunftstrends: Weltgeschehen
Weltbevölkerung
Laut UN wird die Weltbevölkerung von 8,0 Milliarden Menschen im Jahr 2022 auf 9,7 Milliarden im Jahr 2050 und 10,4 Milliarden im Jahr 2100 ansteigen. Im Jahr 2050 kämen 75 Menschen und im Jahr 2100 84 Menschen auf einen Quadratkilometer Land. Da in Deutschland 238 Menschen (2021) auf dieser Fläche leben, gibt es auf der Erde eigentlich genug Platz für 10 oder 11 Milliarden Menschen, und auch ihre Ernährung könnte sichergestellt werden. Jedoch findet das Bevölkerungswachstum vor allem in den weniger entwickelten Regionen der Erde statt. Vor allem Afrika südlich der Sahara ist betroffen: Zwischen 2022 und 2050 wird sich hier die Bevölkerung verdoppeln und mehr als 2 Milliarden Menschen umfassen. Regionen mit dem größten Bevölkerungswachstum haben schon jetzt Probleme mit Wassermangel, unzureichender landwirtschaftlicher Produktion, Arbeitslosigkeit und Armut. So ist in Zukunft mit Wanderungsbewegungen und ethnischen Spannungen zu rechnen.
Das Durchschnittsalter der Weltbevölkerung wird laut UN von 30,4 Jahren im Jahr 2023 auf 36,1 Jahre im Jahr 2050 bzw. 42,1 Jahre im Jahr 2100 steigen. Der Grund hierfür ist die weiter zunehmende Lebenserwartung, mitbedingt durch eine bessere medizinische Versorgung. Laut UN wird sie von 72,8 Jahren (2019) auf 77,2 Jahre im Jahr 2050 bzw. 82,1 Jahre im Jahr 2100 steigen. In den am wenigsten entwickelten Ländern lag sie 2021 um 7,0 Jahre unter dem weltweiten Durchschnitt.
Für die kommenden Jahrzehnte wird eine weitere Zunahme der weltweiten Verstädterung erwartet. Während im Jahr 1950 erst 30% der Menschen in Städten lebten, wurde bereits im Jahr 2007 die 50%-Grenze überschritten. Für 2030 rechnet die UN mit mehr als 60% und für 2050 mit ca. 68%. In absoluten Zahlen bedeutet dies eine Verdopplung der Stadtbevölkerung zwischen 2007 und 2050 von 3,3 auf 6,7 Milliarden Personen. Immer mehr Menschen werden in „Megacities“ mit mehr als 10 Millionen Einwohnern leben und arbeiten – zunehmend in Wolkenkratzern. Die Hochhäuser werden immer spektakulärere Formen annehmen: runde, schräge, asymmetrische und unregelmäßige. Außerdem wird mehr Wert auf Klimatechnik gelegt, werden kleine Parks, öffentliche Plätze und sogar Biosphären in die Wolkenkratzer eingebaut. Hingegen wird es weniger Grünflächen zwischen den Gebäuden aufgrund der Nachverdichtung geben.
Die zunehmende Verstädterung reduziert den Bevölkerungsdruck auf dem Land – derzeit beanspruchen Städte etwa 3% der Erdoberfläche. Zudem können Städte eine effizientere Infrastruktur bieten. Allerdings sind sie schon jetzt für drei Viertel des Kohlendioxid-Ausstoßes und mehr als die Hälfte des Wasserverbrauchs verantwortlich.
(Groß-) Städte bilden Zentren der Weltwirtschaft, in denen neben den „Global Players“ viele andere Unternehmen Arbeitsplätze „produzieren“, die Menschen aus der Umgebung magisch anziehen. Aber nicht alle werden eine Stelle finden. So wird die Zahl der Slum-Bewohner laut UN bis 2030 von 1 Milliarde auf 3 Milliarden Menschen ansteigen. Neben Slums wird es separate Stadtteile für schlechter und besser Verdienende geben – bis hin zu „Gated Communities“ für die Reichen. Aber auch die Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten oder anderer Subkulturen werden sich in bestimmten Stadtteilen ballen.
Wie in den letzten Jahrzehnten wird auch in den kommenden Jahren die Weltbevölkerung immer mehr „verdienen“. So stieg das durchschnittliche Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner laut Weltbank von 9.621 $ im Jahr 2010 auf 12.263 $ im Jahr 2021. Jedoch blieben die großen Unterschiede zwischen einkommensreichen und einkommensschwachen Regionen weitgehend erhalten: Während in diesem Zeitraum das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt z.B. in den OECD-Ländern von 35.026 $ auf 42.099 $ sowie in Ostasien und dem Pazifikraum von 7.732 $ auf 13.038 $ anstieg, nahm es in Lateinamerika und der Karibik von 9.064 $ auf 8.340 $, in den Arabischen Staaten von 6.557 $ auf 6.412 $ sowie in Afrika südlich der Sahara von 1.671 $ auf 1.646 $ ab. Im Jahr 2021 betrug das durchschnittliche Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner in Industrieländern wie beispielsweise der Schweiz 93.457 $, den USA 69.288 $, Deutschland 50.802 $ und Japan 39.285 $, in Schwellenländern wie z.B. China 12.556 $, Russland 12.173 $, Brasilien 7.519 $, Südafrika 6.994 $ und Indien 2.277 $. Am niedrigsten war es bei den Entwicklungsländern Somalia (446 $) und Burundi (237 $).
Die Ungleichheit der Menschen beim Vergleich verschiedener Länder zeigt sich auch hinsichtlich ihres Vermögens. Im Jahr 2021 stieg laut dem „Allianz Global Wealth Report 2022“ das weltweite Bruttogeldvermögen um 10,4% gegenüber dem Vorjahr auf 233 Billionen Euro an, wobei das Vermögen in den Schwellenländern schneller zunahm als in anderen Weltregionen. Das durchschnittliche Nettogeldvermögen pro Kopf war mit 259.780 Euro am höchsten in den USA, gefolgt von 237.110 Euro in der Schweiz, 183.610 Euro in Dänemark, 146.510 Euro in Schweden und 138.220 Euro in Taiwan (die Deutschen lagen mit 69.290 Euro auf dem 18. Platz).
Allerdings sind Vermögen und Einkommen in der Welt und in den einzelnen Ländern höchst ungleich verteilt. Beispielsweise besaßen im Jahr 2021 die weltweit reichsten 10% circa 86% des Gesamtvermögens (laut „Allianz Global Wealth Report 2022“). Der „World Inequality Database“ zufolge entfielen im Jahr 2021 auf die oberen 10% der Einkommensbezieher 37,1% des Nationaleinkommens in Deutschland, 32,2% in Frankreich, 41,7% in China, 46,4% in Russland, 45,5% in den USA, 66,5% in Südafrika, 58,6% in Brasilien und 57,1% in Indien. Laut Forbes gab es 2021 weltweit 2.755 Milliardäre, deren Vermögen auf 13,1 Billionen $ geschätzt wurde – 5 Billionen $ mehr als 2020. Dieser Betrag ist höher als das Bruttoinlandsprodukt der Länder der Eurozone. Oxfam zufolge besaßen die 10 reichsten Milliardäre 2021 mehr Vermögen als die unteren zwei Fünftel der Weltbevölkerung.
In den meisten Staaten, insbesondere in den Schwellenländern, ist eine positive Entwicklung in den Bereichen Produktion und Konsum festzustellen; diese Tendenzen dürften sich auch in den kommenden Jahrzehnten fortsetzen. Wo dies nicht geschieht, ist laut dem Zukunftsforscher Matthias Horx eine Vielzahl von Ursachen dafür verantwortlich – nicht aber die Globalisierung bzw. die Ausbeutung der Armen durch die Reichen. Länder (insbesondere in Ost- und Südasien sowie in Lateinamerika), die sich in den 1980er Jahren für die Globalisierung geöffnet haben, hätten ein großes Wirtschaftswachstum und eine starke Steigerung des Lebensstandards erlebt – im Gegensatz zu Ländern (zumeist in Afrika und Westasien), die sich dieser Entwicklung gegenüber verschlossen haben.
Auf dem Weg zu einer multipolaren Welt
Während derzeit die USA noch das politische Geschehen als größte Weltmacht dominiert, wird für die kommenden Jahrzehnte mit dem Entstehen einer multipolaren Welt gerechnet: China, Russland, Indien, Brasilien und weitere Schwellenländer werden eine immer größere Rolle in der Weltpolitik spielen. So haben die weitgehend erfolglosen politischen und militärischen Interventionen der USA und ihrer europäischen Verbündeten im Nahen und Mittleren Osten, in Nordafrika, in Ex-Jugoslawien und in der Ukraine gezeigt, wie begrenzt der Einfluss der alten Mächte ist.
Ferner hat die Finanz- und Wirtschaftskrise, die im Jahr 2007 begann, das Vertrauen der Menschheit in die freie Marktwirtschaft bzw. in den Kapitalismus erschüttert, zumal die stärker staatlich kontrollierte Wirtschaft Chinas kaum betroffen war und weiter expandierte. Hingegen verlieren die USA, die europäischen Länder und Japan an Bedeutung, da sie anstehende Probleme wie die Regulierung der Finanzmärkte oder die Begrenzung des Klimawandels nicht lösen. Zudem werden ihre Handlungsspielräume immer mehr durch die hohe Verschuldung begrenzt: Laut dem Institute of International Finance sind weltweit die Schulden von Staaten, Unternehmen, Finanzsektor und Privathaushalten vom 97 Billionen $ im Jahr 2007 auf rund 315 Billionen Anfang 2024 gestiegen. Ende 2021 entsprach die globale Verschuldung 351% des Bruttoinlandsprodukts aller Staaten – Ende 2019 waren es erst 320%. Sollte es zu einem größeren Zinsanstieg kommen, könnte die Blase platzen.
Laut Statista entsprach die Staatsverschuldung 2023 in Japan 252% des Bruttoinlandsprodukts, in Italien 137%, in den USA 122%, in Frankreich 111%, in Spanien 107%, in Großbritannien 101%, in China 84%, in Indien 82% und in Deutschland 63% des BIP. Für den Zeitraum bis zum Jahr 2029 wird prognostiziert, dass in einigen dieser Länder die Staatsverschuldung weiter ansteigen wird (in Italien auf 145% des BIP, in den USA auf 133%, in Frankreich auf 115%, in Großbritannien auf 110%, in China auf 110%), in Japan und Deutschland unverändert bleiben sowie in Spanien auf 104% und in Indien auf 78% des BIP zurückgehen wird. Die meisten dieser Staaten werden in den nächsten Jahren ihre Schulden nicht abbauen können, da die Rentenausgaben und Gesundheitskosten aufgrund der Alterung der Bevölkerung rasant ansteigen werden. Dementsprechend wird z.B. für Deutschland im Tragfähigkeitsbericht 2020 des Bundesfinanzministeriums ein Anstieg der Staatsschulden von 60% des Bruttoinlandsprodukts auf – je nach Szenario – zwischen 73 und 185% im Jahr 2060 prognostiziert. Bei diesem Bericht wurde aber noch nicht die durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg bedingte sehr hohe Neuverschuldung berücksichtigt. So könnte laut dem Finanzwissenschaftler Martin Werding von der Ruhr-Universität Bochum die Schuldenstandsquote 2060 um 30 bis 40% höher ausfallen als laut der vorgenannten Berechnung. Aber auch in den meisten anderen Staaten nehmen derzeit die Schulden rasant zu. Deshalb ist schon bald mit neuen Staatsschuldenkrisen zu rechnen.
Im Januar 2015 beschloss die Europäische Zentralbank, Staatsanleihen aller Eurostaaten für monatlich 60 Milliarden Euro aufzukaufen. Anfang 2021 besaß sie laut Thomas Mayer, Professor an der Universität Witten/Herdecke, bereits 27% der Schulden aller Euro-Staaten. Während die Wirtschaft von dem sinkenden Eurokurs profitiert (größere Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt), leiden Sparer, Banken, Lebensversicherungen und Bausparkassen unter den niedrigen Zinsen. Hinzu kommt, dass die Finanzpolitik der EZB es den (süd-) europäischen Staaten erleichtert, neue Schulden aufzunehmen und notwendige Wirtschaftsreformen zu verschieben. Seit Juni 2016 kauft die EZB auch Unternehmensanleihen auf – das „billige“ Geld könnte Unternehmen verleiten, unnötige Risiken einzugehen. Die Bilanzsumme der EZB betrug 2024 laut boerse.de bereits 6,4 Billionen Euro – eine Steigerung von 220% in den vergangenen zehn Jahren. Deutschland haftet für 28% der Schulden der EZB.
Aber auch die US-Notenbank hat ihre Bilanzsumme auf rund 7,0 Billionen $ erhöht (2024), was einer Steigerung von 189% innerhalb von zehn Jahren entspricht. Durch die niedrigen Zinsen wurden ineffiziente Unternehmen am Leben erhalten: So waren laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) Anfang 2021 weltweit bereits 18% aller Unternehmen „Zombie-Firmen“ – der höchste jemals gemessene Wert. Sie sind im Grunde insolvent, überleben aber noch, weil sie aufgrund der Geldpolitik der Notenbanken an zinsgünstige Kredite gelangten. Aufgrund des „billigen“ Geldes könnte es auch zu neuen Blasenbildungen z.B. auf den Aktien- und Immobilienmärkten gekommen sein. So könnte es in naher Zukunft weitere Finanz- und Bankenkrisen geben – und eine „brutale“ Neubewertung von Vermögen.
Die im Jahr 2022 eingeleitete Zinswende hat nun dazu geführt, dass Schulden für Staaten, Unternehmen und Privatpersonen immer „teurer“ werden. Beispielsweise steigen die Zinsausgaben als Anteil der Steuereinahmen rasant an – z.B. bei der Bundesregierung laut Institut der deutschen Wirtschaft von 1,3% im Jahr 2021 auf 11,1% im Jahr 2023. Ähnliches gilt für die USA: Sie mussten 2023 doppelt so viel wie 2017 für Zinszahlungen aufwenden. So schrumpfen die für andere staatliche Aufgaben zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel. Aber auch Unternehmen und Privatpersonen müssen höhere Zinsen für (neue) Anleihen und Kredite zahlen, was Investitionen, Umschuldungen, Immobilienerwerb, teure Konsumentscheidungen usw. erschwert. Insbesondere bei „Zombie-Firmen“ und überschuldeten Personen wächst die Gefahr von (Privat-) Insolvenzen.
Die „alten“ Mächte verlieren an Bedeutung
Hinsichtlich der Einschätzung der Zukunft der USA gibt es zwei divergierende Perspektiven. Auf der einen Seite glauben Zukunftsforscher wie Dmitry Orlov oder James Howard Kunstler, dass die USA als Weltmacht an Bedeutung verlieren wird. Sie gehen davon aus, dass dem Finanzsektor weitere Krisen bevorstehen, dass das Wirtschaftswachstum niedrig bleiben wird, dass Steuern und Abgaben steigen werden (z.B. wegen der Alterung der Bevölkerung und um die vernachlässigte Infrastruktur modernisieren zu können), dass der Klimawandel die amerikanische Landwirtschaft negativ beeinflussen wird usw. Anstatt auf die neuen Herausforderungen zu reagieren, das Finanz- bzw. Wirtschaftssystem umzubauen und die Bevölkerung auf „magere Zeiten“ vorzubereiten, würde die US-Regierung nach dem Motto „More of the Same“ handeln.
Auf der anderen Seite sind Zukunftsforscher wie Andreas Eschbach oder George Friedman der Meinung, dass die USA – politisch, kulturell und militärisch – eine Supermacht bleiben werden. Im Gegensatz zu Europa und Japan verlaufe die demographische Entwicklung positiv (z.B. bestandserhaltende Geburtenrate, Zuwanderung junger Menschen). Die USA kontrolliere sowohl den Nordatlantik als auch den Pazifik – und damit das Welthandelssystem. Auch verlaufe die wirtschaftliche Entwicklung wieder recht positiv, zumal die USA bei Zukunftstechnologien führend seien. Zudem ist das Land dank Fracking immer weniger auf Öl- und Gasimporte angewiesen, sind die Energiepreise gefallen.
In den letzten Jahrzehnten hat die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft stark zugenommen. Laut dem Pew Research Center sank der Anteil der in Mittelschichtshaushalten lebenden Erwachsenen von 61% im Jahr 1971 über 54% im Jahr 2001 auf 50% im Jahr 2021. Gleichzeitig würden die Reichen (2021: 21% der Erwachsenen) immer reicher, gäbe es immer mehr arme Menschen (2021: 29% der Erwachsenen). Die Arbeitslosenquote in den USA wird auch in den kommenden Jahren recht hoch bleiben – mitbedingt dadurch, dass die Zahl der Stellen für wenig qualifizierte Arbeitnehmer zurückgehen wird. Hingegen werden weiterhin Arbeitskräfte mit (natur-) wissenschaftlichen und technischen Abschlüssen gesucht werden, aber auch Mitarbeiter für den Bildungs-, Gesundheits- und Pflegebereich.
Ähnliches gilt für Europa, Russland, Japan und Südkorea, wo die Situation noch durch die sinkenden Geburtenraten verschärft wird. Der Wirtschaft in den USA, in Europa und in Ostasien wird es auch immer schwerer fallen, offene Stellen mit Immigranten zu besetzen, da hoch qualifizierte Chinesen, Inder, Südamerikaner usw. in ihren Heimatländern immer bessere Berufschancen haben werden.
Unter Präsident Donald Trump wird sich die USA tendenziell aus der Weltpolitik zurückziehen – wie während seiner ersten Amtszeit. Zudem werden die Zölle für Importe aus China, Mexiko und der EU mehr oder minder stark erhöht. Diese Entwicklung beeinträchtigt den Welthandel und hat negative Folgen vor allem für Exportländer wie Deutschland, China, Südkorea oder Japan. Allerdings zeigte der Technologiebann, den die US-Regierung Mitte 2019 gegenüber China verhängte, dass dort eigene Chips, Apps und Standards entwickeln wurden. Chinesische Hightech-Unternehmen traten somit gestärkt aus diesem Technologiekrieg heraus und wurden zu noch größeren Konkurrenten für westliche Konzerne. So werden die USA und China – aber auch die EU – immer mehr zu ökonomischen und geopolitischen Rivalen.
Europa verliert wirtschaftlich immer mehr an Bedeutung. So ist der Anteil der EU an der globalen Wirtschaftsleistung zwischen 1992 und 2022 laut Weltbank von 29% auf 17% geschrumpft, während der Anteil der USA mit 25% konstant blieb und der von China von unter 2% auf fast 18% anstieg. Laut dem Bericht „Global Trend 2025“ des National Intelligence Council wird Europa in den kommenden Jahren wohl eine wichtige Wirtschaftsmacht bleiben, aber weder zu einem einflussreichen globalen Akteur – der mit einer Stimme spricht – noch zu einer Militärmacht werden. Nationale Interessen würden weiterhin eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik erschweren. Auch müsste ein immer größer werdender Anteil des Steueraufkommens darauf verwendet werden, den durch Rückgang der arbeitsfähigen Bevölkerung und Überalterung gefährdeten Wohlfahrtsstaat zu retten.
Hinzu kommt, dass der Brexit die EU geschwächt hat. So war Großbritannien nach Deutschland die größte Wirtschaftsmacht in der EU und ebenfalls ein Nettozahler – knapp 5 Milliarden Euro pro Jahr mussten nun von anderen Ländern übernommen oder eingespart werden. Zudem gibt es eine lange Phase der Unsicherheit, da Großbritannien mehr als 10.000 EU-Regulierungen durch nationales Recht ersetzen muss. Dies – und vor allem das ständige Hinterfragen der Zollkontrollen an der Grenze zu Nordirland – belastet die Handelsbeziehungen zwischen EU und Großbritannien und führt zu weniger Investitionen in dem Austrittsland. Darunter leidet auch die deutsche Wirtschaft – schließlich ist Großbritannien ein wichtiger Handelspartner der Bundesrepublik. Außerdem könnte es zu einem „Dominoeffekt“ kommen, wenn andere Länder ebenfalls Volksabstimmungen über einen EU-Austritt durchführen sollten. So gibt es starke EU-kritische Bewegungen in Frankreich und den Niederlanden, aber auch in Finnland, Italien, Polen, Ungarn und Tschechien. Diese könnten z.B. bei neuen Wirtschafts- und Schuldenkrisen (s.o.) an Einfluss gewinnen.
Die wirtschaftliche Entwicklung in Japan verlief lange Zeit eher schleppend und hat erst 2013 wieder zugelegt. Inzwischen ist Japan nur noch die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und liegt auf Platz 5 der exportstärksten Länder. Allerdings ist das Bruttoinlandsprodukt zwischen 2008 und 2021 kaum gewachsen – laut Wikipedia betrug es 4,9 Billionen $ (2021). Besonders problematisch ist, dass die Schulden von Staat, Unternehmen und Privathaushalten laut Handelsblatt im März 2021 bei 420% des Bruttoinlandsprodukts lagen (zum Vergleich USA: 293%). Nach Schätzungen der japanischen Regierung wird sich die Zahl der Senioren bis 2050 von heute 20,1% – das ist bereits Weltrekord – auf rund 40% der Bevölkerung verdoppeln. Dann werden laut dem Japan Center for Economic Research 70% der nationalen Arbeitskraft verschwunden sein. Das reiche der Wirtschaft noch nicht einmal für ein Nullwachstum.
Der Aufstieg der Schwellenländer
Als Staaten mit Zukunft gelten die Schwellenländer, insbesondere China, Indien, Russland, Brasilien, Indonesien, Mexiko und die Türkei. China und Russland sind aufgrund ihrer militärischen, politischen und wirtschaftlichen Stärke bereits große Machtzentren in der sich abzeichnenden multipolaren Welt. Sie grenzen sich als autoritäre Staaten gegenüber den westlichen Demokratien ab und gehen ihren eigenen Weg. Wie die Besetzung der Krim und vor allem der Krieg mit der Ukraine zeigen, nimmt Russland sogar harte Reaktionen der westlichen Welt in Kauf, wenn es seinen Einflussbereich ausweiten kann. Der durch die Sanktionen bedingte Wirtschaftseinbruch wird vermutlich zu einer lang andauernden Rezession und einem sinkenden Lebensstandard führen.
Laut einer Prognose des Londoner Centre for Economics and Business Research von Ende 2020 wird China die USA schon 2028 als weltgrößte Volkswirtschaft ablösen. Während das chinesische Bruttoinlandsprodukt in den kommenden Jahren um jährlich 5,7% wachsen werde, werden für die USA nur 1,9% pro Jahr erwartet. Japan werde in den frühen 2030er Jahren von Indien überholt werden, und Deutschland werde dann nur noch die fünftgrößte Volkswirtschaft sein.
China ist bereits seit 2010 die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, seit 2016 nach Kaufkraft sogar die größte. Innerhalb weniger Jahrzehnte ist China zu einem der bedeutendsten Industrieländer geworden – zur „Fabrikhalle der Welt“, in der rund ein Drittel der weltweiten Industrieproduktion hergestellt wird. Seit einiger Zeit entwickelt sich China weiter zu einer „Brutstätte“ moderner Technologien: Unternehmen wie Alibaba, Baidu, BYD oder Tencent sind inzwischen zu gleichwertigen Konkurrenten amerikanischer Konzerne wie Alphabet Inc. (Google), Meta Platforms oder Amazon geworden. Beispielsweise werden schon jetzt rund 90% aller Smartphones, 80% aller Computer, 41% aller Schiffe und 28% aller Autos in China produziert. Zudem erreichte China im Jahr 2021 mit knapp 70.000 Patentanmeldungen den ersten Platz im Vergleich mit anderen Staaten. Laut dem Programm „Made in China 2025“ will das Land bis zu diesem Jahr in zehn Wirtschaftsbereichen führend werden: Im Vergleich zu anderen Ländern soll z.B. der erste Platz in den Branchen Telekommunikation, Eisenbahnen und Energieversorgung sowie der zweite oder dritte Platz bei Robotik, High End Automatisierung und Fahrzeugtechnik mit neuer Energie erreicht werden.
Im Jahr 2023 hat China laut Statista Waren im Wert von 3,38 Billionen $ exportiert und im Wert von 2,56 Billionen $ importiert. Damit ist es das exportstärkste Land weltweit – und der wichtigste Handelspartner der EU. Aufgrund des Exportbooms hat China mit 3,23 Billionen $ (2023) die höchsten Währungsreserven der Welt. Auch wird immer mehr für die Qualifizierung des Nachwuchses getan: Laut DAAD gab es 2020 knapp 45 Millionen Studenten in China – etwa 16-mal so viele wie in Deutschland. Besonders viele Mittel werden in technische Studien investiert. Inzwischen veröffentlichen chinesische Forscher mehr wissenschaftliche Artikel als ihre Kollegen in anderen Ländern.
Laut dem Nobelpreisträger Robert Fogel aus Chicago wird China im Jahr 2040 rund 40% des weltweiten Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften und ein Pro-Kopf-Jahreseinkommen von 85.000 $ erreichen (Europa: 5% der globalen Wirtschaftskraft, die Hälfte des chinesischen Einkommens). Im Jahr 2024 gab es laut dem UBS Global Wealth Report bereits rund 6 Millionen Dollar-Millionäre in China. Aber auch die Mittelschicht wird immer größer. Bis 2025 sollen 350 bis 400 Millionen Menschen – mehr als die Gesamtbevölkerung der USA – zusätzlich in die Städte ziehen; 2030 könnte die Stadtbevölkerung dann 1 Milliarde Menschen betragen. So wird China „die größte Baustelle der Welt“ bleiben: Derzeit wachsen die urbanen Regionen um 2 Milliarden Quadratmeter pro Jahr.
China dürfte das einzige Land sein, das eine klare weltpolitische Strategie verfolgt: Mit der „Neuen Seidenstraße“-Initiative baut die Volksrepublik seit 2013 ein interkontinentales Handels- und Infrastrukturnetz auf, das rund 80 Länder Asiens, Afrikas und Europas umfasst und ca. 60% der Weltbevölkerung betrifft. Laut Manager Magazin wurden in 10 Jahren über 1 Billion $ für mehr als 1.000 Einzelprojekte bereitgestellt. Die beteiligten Länder werden durch Kredite und Investitionen wirtschaftlich immer enger an China gebunden – bis hin zu einer durch hohe Schulden bedingten politischen Abhängigkeit. Zudem hat China Ende 2020 zusammen mit 14 anderen asiatisch-pazifischen Staaten die Freihandelszone RCEP gegründet, die rund 30% der globalen Wirtschaftsleistung und circa 2,2 Milliarden Einwohner umfasst. Dies dürfte zu einer Steigerung der Exporte und einer beschleunigten wirtschaftlichen Entwicklung führen.
Ferner hat China eine moderne Armee aufgebaut und ist dadurch zu der führenden Militärmacht in Asien geworden. Rund 2 Millionen Soldaten stehen unter Waffen. Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums könnte die Zahl der atomaren Sprengköpfe von derzeit knapp 200 bis zum Jahr 2030 auf mehr als 1.000 steigen.
Es gibt aber auch Hemmnisse für das weitere Wachstum Chinas: mangelnde Infrastruktur, die defizitären staatseigenen Betriebe, eine zurückgehende Produktivität, der hohe Bedarf an Energie und Rohstoffen, Anti-Dumping-Maßnahmen der Industrieländer und Schutzklauselanwendungen gegen chinesische Produkte, der rudimentäre Stand des Finanzsektors, die kontrollierte Währung, die Krise im Immobiliensektor, in der Folge ein Konsumrückgang, latent notleidende Kredite im geschätzten Volumen von 30 bis 40% des Bruttoinlandsproduktes, hohe Korruption, eine zunehmende Knappheit an qualifizierten Arbeitskräften, unzureichende soziale Sicherungssysteme, wachsende Einkommensunterschiede, große regionale Disparitäten, die sich abzeichnende Wasserkrise und die Umweltverschmutzung. Auch produziert die Industrie mehr, als im In- und Ausland abgesetzt werden kann, was zu fallenden Preisen, Insolvenzen und Betriebsschließungen führt. Die Schulden von Staat, Unternehmen und privaten Haushalten lagen im März 2021 laut Handelsblatt bei rund 287% des Bruttoinlandsprodukts – fast so viel wie in den USA (293%) oder in der Eurozone (293%). Zudem ist unsicher, in welchem Umfang die vielen Entwicklungsländern – z.B. im Rahmen der „Neuen Seidenstraße“-Initiative – gewährten Kredite zurückgezahlt werden. Sollte es hier zu größeren Ausfällen kommen, könnte eine Schuldenkrise die Folge sein.
Insbesondere die Wanderarbeiter werden als „Modernisierungsverlierer“ eine große Problemgruppe bleiben. Dazu kommt eine zunehmende Alterung der Gesellschaft: Im Jahr 2050 wird das Medianalter 45 Jahre anstelle von jetzt 33 Jahre betragen; knapp ein Viertel der Chinesen wird dann älter als 65 Jahre sein. So müssen in den kommenden Jahrzehnten die sozialen Sicherungssysteme ausgebaut werden, was die wirtschaftliche Entwicklung bremsen dürfte. Zudem wird sich Chinas Bevölkerung laut UN-Prognosen bis zum Jahr 2100 halbieren.
Ferner könnten folgende Widersprüche einen weiteren Aufstieg Chinas hemmen: Einerseits will die Kommunistische Partei eine moderne Gesellschaft, andererseits aber keine Bürgerrechte. Sie will Technologien zur Modernisierung nutzen, gleichzeitig aber ihre Verwendung einschränken. China will Vorreiter auf dem Weg zur Wissensgesellschaft sein, aber zugleich den Informationsfluss kontrollieren. Die Regierung möchte den Wohlstand mehren, lässt aber die Reichen reicher und die Armen ärmer werden. Deshalb hat die Kommunistische Partei Mitte 2021 ihre bisherige Strategie geändert: So will sie die Wirtschaft wieder stärker regulieren, Monopole aufbrechen, die Verschuldung von Unternehmen begrenzen, die Fiskal- und Geldpolitik konservativer gestalten und die Ungleichheit in der Bevölkerung reduzieren. Trotz aller Maßnahmen ist es zu einer Wirtschaftskrise gekommen, unter der vor allem junge Menschen leiden: So waren 18,8% der 16- bis 24-Jährigen im Juli 2024 arbeitslos. Zugleich wurden die zuvor erwähnten Prognosen zur Wirtschaftsentwicklung korrigiert: So geht z.B. der Internationale Währungsfonds davon aus, dass die Wachstumsraten von knapp 5% im Jahr 2024 auf 3,3% im Jahr 2029 sinken werden.
Indien gehört zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften (Wirtschaftswachstum im Jahr 2022: ca. 7%) – und ist seit 2022 die fünftgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. Der Aktienmarkt mit einem Gesamtaktienwert von circa 4,3 Billionen $ (2024) ist der viertgrößte der Welt. Mitte des Jahrhunderts wird Indien voraussichtlich mit 1,7 Milliarden Einwohnern das bevölkerungsreichste Land der Erde sein und mit seinem Bruttoinlandsprodukt nach China und den USA an dritter Stelle liegen. Derzeit spielt der Dienstleistungssektor mit einem Anteil von rund 56% am Bruttoinlandsprodukt eine herausragende Rolle, obwohl nur 27% der Beschäftigten in diesem Bereich tätig sind. Viele IT-Aufgaben und andere Geschäftsprozesse für international tätige Konzerne werden im „Backoffice der Welt“ erledigt. Das Bildungssystem wurde reformiert, um das Potenzial der vielen jungen Menschen – 44% der Inder sind jünger als 25 Jahre – besser nutzen zu können. Laut dem British Council gab es 2023 mehr als 58.000 Universitäten und Colleges mit rund 43,3 Millionen Studierenden. Die Zahl der Studenten soll in den kommenden Jahren weiter ansteigen. Wie China beansprucht Indien mehr politischen Einfluss, zumal es die größte Demokratie der Welt sei.
Unklar ist jedoch, ob in Indien die ökonomische Entwicklung mit dem Bevölkerungswachstum mithalten kann. Schon jetzt ist Armut weit verbreitet: Laut Weltbank haben 44% der Einwohner weniger als 1 $ pro Tag zur Verfügung; mehr als ein Viertel der Bevölkerung ist unterernährt. Allerdings wächst auch die Mittelschicht. Ferner sind in Indien – einem Land, in dem fast 50% der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft tätig sind – schätzungsweise 60% der Nutzflächen von Wasserknappheit, Bodenerosion und Versalzung betroffen. Zudem wird das Land immer wieder von Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Dürren heimgesucht, die durch den Klimawandel noch häufiger auftreten und zu mehr Opfern führen dürften. Weitere Risikofaktoren für die wirtschaftliche Entwicklung sind z.B. die schlechte Infrastruktur, die zunehmende Luft- bzw. Umweltverschmutzung, die ineffiziente Bürokratie, das gespannte Verhältnis zu Pakistan sowie die vielen religiösen und ethnischen Konflikte, die oft mit Gewalt ausgetragen werden oder mit terroristischen Anschlägen verbunden sind.
Brasilien, Argentinien und einige andere lateinamerikanische Staaten haben in den letzten 50 Jahren dank des Rohstoff-Booms und des guten Absatzes landwirtschaftlicher Produkte einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung erlebt, von dem alle gesellschaftlichen Gruppen profitierten. Zugleich führten linksgerichtete bzw. populistische Regierungen eine Umverteilungspolitik zugunsten ärmerer Menschen durch. Jedoch wurde nur wenig in Bildung, Forschung und die Förderung moderner Wirtschaftszweige investiert. So ist die skizzierte positive Entwicklung in vielen Ländern ins Stocken geraten – oder hat sich sogar zum Negativen gewendet –, zumal die Einnahmen aus Rohstoffen seit dem Abflachen des Booms stark gesunken sind. Die Staatsverschuldung ist bereits sehr hoch – so steht z.B. Argentinien immer wieder vor dem Bankrott – und steigt bedingt durch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie rasant an. Beispielsweise rechnet Brasilien mit einem Anstieg der Schulden von 78 auf knapp 94% des Bruttoinlandsprodukts innerhalb nur eines Jahres (2020).
Staaten, deren Reichtum vor allem auf ihren Erdölvorkommen beruht, wird zumeist eine eher negative Zukunft prognostiziert: Da die Erdölproduktion in den kommenden Jahren zurückgehen wird, werden viele dieser Staaten ihre Haupteinnahmequelle verlieren. Insbesondere in Ländern wie Saudi-Arabien, in denen die Bevölkerung stark wächst und wo schon jetzt die Arbeitslosenquote sehr hoch ist, würde dann der Lebensstandard stark sinken. Unruhen oder gar (Bürger-) Kriege könnten die Folge sein. Zudem nimmt die Marktmacht der OPEC-Staaten ab, da sich neben Nigeria, Brasilien und anderen Ländern auch die USA und Kanada zu großen Erdölproduzenten entwickeln. Um das Letzte aus ihren Erdölquellen herauszuholen, werden viele Länder mit einer verstaatlichten Erdölindustrie die Hilfe westlicher Unternehmen benötigen. Dies könnte die anti-westliche Stimmung im Mittleren Osten – aber z.B. auch in Venezuela – verstärken.
Entwicklungsländer vor neuen Krisen
Während in den Schwellenländern und einigen anderen Staaten der Dritten Welt die „Aufholjagd“ begonnen hat – verbunden mit einem ungehemmten Wirtschaftswachstum –, werden hingegen die übrigen Entwicklungsländer zunehmend marginalisiert. Hier können Landwirte, Handwerker und Fabriken ihre Produkte nicht mehr absetzen, weil die Märkte mit billiger – und oft subventionierter – Ware aus Industrieländern überschwemmt werden. In vielen Entwicklungsländern können Unternehmen nahezu ungehindert Menschen in „Sweatshops“ ausbeuten oder sich Bodenschätze aneignen. Wegen ihrer Überschuldung müssen die meisten armen Länder mehr für Tilgung und Zinsen aufbringen als ihnen an Zuwendungen zufließen. Auch wird in sie kaum investiert: Die weitaus meisten Direktinvestitionen gehen in OECD- und Schwellenländer. So wird der Abstand zwischen den Industrie- und Schwellenländern auf der einen Seite und den Entwicklungsländern auf der anderen Seite immer größer werden.
In vielen Entwicklungsländern sind die meisten Menschen noch in der Landwirtschaft tätig. Oft produzieren sie nur für den eigenen Bedarf, da die nächsten Märkte zu weit entfernt sind. Zumeist mangelt es an landwirtschaftlichen Maschinen, Kunstdünger und Pflanzenschutzmitteln. Viele Dörfer sind noch ohne Elektrizität und können nur über unbefestigte Straßen erreicht werden. Aber auch in Städten ist die Infrastruktur oft unzureichend. Abgesehen vom Bergbau gibt es zumeist nur wenig Industrie. So sind in vielen Entwicklungsländern bis zu 50% der jungen Menschen arbeitslos oder unterbeschäftigt. Das Bildungs- und Gesundheitswesen sowie die Verwaltung sind unterentwickelt. Viele Menschen sind Analphabeten oder haben nur einige wenige Jahre lang die Schule besucht; eine qualifizierte Berufsausbildung oder ein Hochschulabschluss sind selten.
Auch in den kommenden Jahren wird sich die Lebenssituation der meisten in Entwicklungsländern lebenden Menschen kaum verbessern. Selbst bei einem Wirtschaftswachstum wird das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt nur wenig ansteigen, da immer mehr Menschen in diesen Ländern leben werden. Aufgrund der weit verbreiteten Arbeitslosigkeit und Armut, der häufigen ethnischen und religiösen Konflikte, der überwiegend autoritären Regimes, der ineffizienten Bürokratie, der grassierenden Korruption, der fehlenden Rechtssicherheit und ähnlicher Gründe wird es wahrscheinlich zu noch mehr sozialen Unruhen, Staatsstreichen und Bürgerkriegen kommen, die zumeist zu einer weiteren Verschlechterung der Lebensverhältnisse führen dürften.
Laut Statista gab es in Afrika rund 41 Millionen Arbeitslose (2021). Dazu kommen die „Working Poor“ (Menschen, die trotz Erwerbstätigkeit arm sind); ihr Anteil an der Bevölkerung wird auf rund 29% geschätzt. So ist es nicht verwunderlich, dass laut einer Gallup-Umfrage von 2016 rund ein Drittel der Menschen über 15 Jahren in Afrika – südlich der Sahara – bereit wäre, ihr Heimatland zu verlassen; in Nordafrika wäre es mehr als ein Viertel aller Menschen. In Lateinamerika und in der Karibik gäbe es mehr als 30%, in den arabischen Staaten und Ostasien mehr als 20%, in Osteuropa und Zentral- bzw. Westasien knapp 20% und in Südasien 15% Migrationswillige. Immer mehr Menschen werden somit in den kommenden Jahren z.B. nach Europa und Nordamerika auswandern wollen. Nach anderen Schätzungen (z.B. von Gunnar Heinsohn, Nato Defense College) könnten dies weltweit bis zu 600 Millionen Menschen sein.
Viele Entwicklungsländer werden unter der sich anbahnenden Ernährungskrise leiden. So müssen jedes Jahr mehr Menschen ernährt werden, während gleichzeitig immer mehr landwirtschaftlich genutzte Flächen durch Urbanisierung, Überbeanspruchung und Erosion verloren gehen. Laut Statista waren 1961 weltweit 0,37 Hektar Ackerland pro Kopf verfügbar; 2020 waren es nur noch 0,18 Hektar. Und der Bayer AG zufolge wird das Ackerland von 2.200 Quadratmetern pro Person im Jahr 2010 auf 1.900 Quadratmeter im Jahr 2030 und 1.700 Quadratmeter im Jahr 2050 zurückgehen. Der Klimawandel, die immer häufigeren extremen Wetterereignisse und die zunehmende Versalzung künstlich bewässerter landwirtschaftlicher Flächen werden die Ernährungskrise verschärfen: So wird bis 2030 mit einem Rückgang der Erträge in China bei Reis um 3%, in Südasien bei Reis um 10 bis 15% und in Südafrika bei Mais um 30 bis 47% gerechnet.
Laut FAO hat sich die globale Fleischproduktion zwischen 1965 und 2021 mehr als vervierfacht – von 84 auf 356 Millionen Tonnen. Für 2030 wird mit 374 und für 2050 mit 455 Millionen Tonnen gerechnet. Dadurch werden die Ressourcen immer stärker beansprucht: Ein zunehmender Anteil der Ackerfrüchte wird nicht gegessen, sondern zur Erzeugung von Fleisch, Eiern und Milch verwendet. Um aber 1 Kilo Schweine- oder Hühnerfleisch herzustellen, benötigt ein Landwirt 2 Kilo Mais, Soja oder Weizen, bei Rindfleisch sind es schon 6 Kilo. Für einen Nordamerikaner wird etwa viermal so viel Getreide wie für einen Inder benötigt, der sich überwiegend vegetarisch ernährt. Außerdem werden für die Herstellung von 1 Kilo Getreide 1.500 Liter Wasser gebraucht, für 1 Kilo Rindfleisch aber 5.000 bis 20.000 Liter – und Wasser wird immer knapper. In den kommenden Jahrzehnten wird die Nachfrage nach Fleisch und Milchprodukten weiter steigen.
Zur Ernährungskrise trägt auch die zunehmende Produktion von Biosprit bei. Beispielsweise wurden laut dem Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft im Jahr 2021 rund 700.000 Tonnen Bioethanol in Deutschland hergestellt - 0,6% mehr als 2020. In den USA waren es sogar 47,4 Millionen Tonnen (2019). Biokraftstoffe werden aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais, Ölpflanzen, Getreide, Zuckerrüben oder Zuckerrohr produziert, die somit nicht mehr für die Ernährung der Menschen zur Verfügung stehen. Aber auch Wald- und Restholz, spezielle Energiepflanzen und tierische Abfälle werden verwendet.
In den letzten Jahren sind die Lebensmittelpreise weltweit stark gestiegen und vor allem für die ärmste Milliarde Menschen zu einer großen Belastung geworden, da sie zwischen 50 und 70% ihres Einkommens für Ernährung ausgeben müssen. Immer mehr Menschen haben nicht genug Geld, um genügend Grundnahrungsmittel zu kaufen. So liegt die Zahl hungernder Menschen laut Welthungerhilfe bei rund 828 Millionen (2022). Nach Schätzungen wird die Zahl bis 2025 auf 1,2 Milliarden und bis 2050 auf 3 Milliarden Menschen ansteigen. Allerdings soll laut der UN-Agenda für nachhaltige Entwicklung der Hunger bis zum Jahr 2030 besiegt werden.
Schon jetzt versuchen einzelne Staaten (z.B. Indien, Vietnam, Indonesien und China), durch Exporteinschränkungen für Nahrungsmittel ihre eigene Versorgung sicherzustellen. Zudem erwerben staatliche und private Unternehmen aus Saudi-Arabien, Südkorea, China, Indien und einigen anderen Ländern – im Auftrag oder mit Unterstützung der jeweiligen Regierung – Ackerland in Afrika, Südostasien und Südamerika, weil die eigene Landwirtschaft nicht genügend Lebensmittel für die Bevölkerung produziert. Laut landmatrix.org haben sich Investoren rund 79,5 Millionen Hektar Land für landwirtschaftliche Zwecke angeeignet. Ein Großteil des Landes ist allerdings für Pflanzen bestimmt, die nicht der menschlichen Ernährung dienen. Problematisch ist, dass diese Flächen häufig von der einheimischen Bevölkerung (extensiv) genutzt wurden – die nun verarmt oder sogar unter Hunger leidet. Oft wurden die Einheimischen von dem Land vertrieben; alleine in Äthiopien sollen mehr als 1 Million Menschen von diesem Schicksal betroffen sein. Da die neuen landwirtschaftlichen Betriebe hoch technisiert sind, entstehen nur wenige neue Arbeitsplätze. Zudem werden die Produkte exportiert, kommen also nicht der einheimischen Bevölkerung zugute.
Nach positiveren Szenarien kann die Ernährungskrise jedoch durch gentechnisch veränderte Pflanzen abgemildert werden, die höhere Erträge erbringen und auch in Regionen angebaut werden können, für die sie bisher noch nicht geeignet sind. Produktionszuwächse ließen sich zudem durch umweltfreundlichere Anbaumethoden und effizientere Bewässerung erreichen (z.B. durch Sprinkler oder Tröpfchenbewässerung). Der Klimawandel könnte auch dazu führen, dass in mehr Regionen Nordamerikas und Europas zwei Ernten pro Jahr eingefahren werden. Ferner gibt es viele essbare Lebewesen wie z.B. Insekten, Muscheln, Seesterne und Algen, die bisher erst in wenigen Regionen dieser Welt verzehrt werden. Ihre nur wenig Ressourcen beanspruchende Zucht könnte ausgeweitet werden. Selbst wenn weiterhin die meisten Menschen den Verzehr von Insekten, Muscheln, Seesternen oder Algen ablehnen sollten, könnten deren Bestandteile (z.B. in der Form von Insekten- oder dem bereits verwendeten Algenmehl) bei der Produktion von Fertigprodukten genutzt werden.
Ein mit der Nahrungsknappheit eng zusammenhängendes Problem ist die Wasserkrise, die neben der Dritten Welt auch OECD- und Schwellenländer trifft, dort aber besser abgefangen werden kann. Im Jahr 2023 hatten laut UN 3,6 Milliarden Menschen mindestens einen Monat im Jahr nicht genug Wasser – diese Zahl könnte bis 2050 auf 5 Milliarden steigen. Die Investmentbank Goldman Sachs sieht in der Wasserkrise eine noch größere Gefahr für die Menschheit als in der Erschöpfung der Erdölquellen und anderer Rohstoffvorkommen. In den USA sind Kalifornien, Nevada, Arizona, Colorado, Texas, Georgia, Florida und weitere Staaten vom Wassermangel betroffen. Noch problematischer ist die Situation in Südostasien: Einige hundert Quadratkilometer Himalaja-Gletscher sind die Quelle für alle wichtigen Flüsse Asiens, also für den Ganges, den Yangtse und den Gelben Fluss – und die Gletscher werden aufgrund der Erderwärmung immer kleiner. Zudem wird in Südostasien viel zu viel Grundwasser entnommen.
Wassermangel und Dürren treffen vor allem die Landwirtschaft. So könnten z.B. in Australien die Weizenerträge und die Produktion von Rindfleisch bis 2050 um 13% sinken. Auch in Nordchina ist das Wasser knapp – hier liegen aber zwei Drittel der landwirtschaftlichen Flächen des Landes und müssen bewässert werden. Die Ernte auf 10 Millionen Hektar Land ist bedroht – sie könnte um bis zu 20% geringer ausfallen. Da in Nordchina fast die Hälfte des Nutzwassers aus dem Boden geholt, sinken die Grundwasserpegel mancherorts um ca. 1 Meter pro Jahr, in der Henbei Provinz sogar um 3 Meter. Zudem kommen wegen schlechter Bewässerungssysteme nur 45% des Wassers tatsächlich bei den Pflanzen an. Aber auch Chinas Industrie verbraucht drei- bis zehnmal mehr Wasser als Betriebe in entwickelten Ländern. Flüsse und Seen trocknen aus, die Wasserverschmutzung nimmt stark zu. Nur 56% aller städtischen und industriellen Abwässer werden behandelt. Die Kosten der Wasserkrise betragen laut Weltbank schon 2,3% des Bruttoinlandsproduktes. Mehr als 300 Millionen Chinesen haben keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser. Der Wassermangel wird in den nächsten Jahren ein großes Problem bleiben: Mit 7% der Wasserreserven der Welt muss China 20% der Weltbevölkerung versorgen.
Laut OECD wird der globale Wasserverbrauch bis 2050 um 55% steigen, insbesondere durch Mehrbedarf im verarbeitenden Gewerbe, bei der thermischen Stromerzeugung und in Privathaushalten. Dieser Bedarf wird mit der Wassernutzung der Landwirtschaft konkurrieren, die derzeit 70% der globalen Wasserressourcen verbrauche. So müsse vor allem hier Wasser eingespart werden. Im Jahr 2025 werden rund 1,8 Milliarden Menschen und im Jahr 2050 ca. 2,3 Milliarden Menschen in Gebieten mit extremer Wasserknappheit leben.
Krisenherde der Gegenwart und Zukunft
In den kommenden Jahrzehnten wird die Welt voraussichtlich nicht friedlicher sein als heute. So wird es in Zukunft folgende Krisenherde geben (zumeist dieselben wie heute):
- Eurasien/Zentralasien (Russland wird versuchen, seine nach Auflösung der Sowjetunion geschrumpfte Einflusssphäre wieder auszudehnen; der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine wird auch nach einem Waffenstillstand fortdauern),
- der Pazifikraum (Kampf um die Vorherrschaft zwischen den USA und China; China betrachtet Taiwan als Teil des eigenen Staates und will das Land – notfalls auch mit Gewalt – eingliedern; Grenzstreitigkeiten zwischen China und Japan; „Pulverfass“ Nordkorea),
- Nordafrika (Machtkampf zwischen fundamentalistischen und liberalen Kräften; fragile Staatlichkeit; Unruhen; hohe Arbeitslosigkeit, da Auslandsinvestitionen und Touristen aufgrund der unsicheren Lage ausbleiben; zunehmende Armut),
- der Nahe und Mittlere Osten (die Machtkämpfe zwischen Sunniten und Schiiten sowie zwischen Säkularisierern und Fundamentalisten werden fortdauern; Saudi-Arabien und der Iran werden um die Vorherrschaft in der Region kämpfen; keine wettbewerbsfähige Wirtschaft; politische Instabilität bis hin zu Bürgerkriegen wie in Syrien und im Irak; der Nahost-Konflikt könnte jederzeit wieder aufflammen; zunehmende Kluft zwischen der islamischen Welt und dem Westen) sowie
- Südasien (fortdauernder Konflikt zwischen Indien und Pakistan).
Ferner könnte die Großregion Indischer Ozean zur Hauptbühne für die Konflikte des 21. Jahrhunderts werden: Hier liegen „Pulverfässer“ wie Somalia, der Jemen, der Iran und Pakistan; hier zeigen sich aber auch die machtpolitischen Bestrebungen von Indien und China, die in Konkurrenz um die Naturschätze stehen, einen Großteil des Handels über die Meere abwickeln und deshalb die Seewege sichern wollen. So findet bereits die Hälfte des globalen Containerverkehrs im Indischen Ozean statt. Der Transport von Erdöl wird in den kommenden Jahren eine noch größere Bedeutung erhalten, da sich Chinas Nachfrage in den nächsten 15 Jahren vermutlich verdoppeln und Indien bald der weltweit viertgrößte Energieverbraucher sein wird. China will seinen Einflussbereich Richtung Süden erweitern, während Indien seinen Einfluss von der persischen Hochebene bis zum Golf von Thailand vergrößern und seine Kontakte zu den an Bodenschätzen reichen Ländern Zentralasiens intensivieren möchte.
Aufgrund der vielen Krisenherde steigen die weltweiten Militärausgaben von Jahr zu Jahr an und erreichten 2023 laut Sipri die Rekordsumme von 2.443 Milliarden $ (6,8% mehr als 2022). Mit Welt- oder gar Atomkriegen wird in den kommenden Jahrzehnten aber nicht gerechnet. Kriege werden vor allem regional und in Ländern der Dritten Welt geführt werden. Immer häufiger dürften unbemannte Drohnen, Fahrzeuge und Roboter eingesetzt werden, die aus der Ferne gesteuert werden. Dank unbemannter Waffensysteme dürften in Zukunft immer weniger Menschen Kriegen zum Opfer fallen.
Allerdings könnte der Terrorismus zu einer noch größeren Bedrohung werden. So hat in den letzten Jahren die Zahl der Anschläge weltweit stark zugenommen, war es sogar zur Gründung eines terroristischen Staates durch den IS gekommen. Während bisher vor allem Menschen Opfer des Terrorismus wurden, könnten in Zukunft vermehrt Infrastruktur und Wirtschaft ins Visier der Terroristen geraten (z.B. U-Bahn-Systeme, wichtige Tunnel und Brücken) – oder von Hackern, die (auch im Auftrag von Regierungen) die Kontrolle über Kraftwerke, Raffinerien, Stromnetze oder Chemiefabriken übernehmen. Einige wenige elektromagnetische Impuls-Bomben könnten z.B. Datenzentren zerstören, über die ein Großteil des Internetverkehrs läuft oder die von der Wallstreet genutzt werden.
So ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen sorgenvoll auf das Weltgeschehen blicken. Laut einer im Jahr 2019 veröffentlichten Umfrage des Pew Research Center, für die 27.612 Menschen in 26 Ländern interviewt wurden, haben 67% der Menschen (71% der Deutschen) Angst vor dem weltweiten Klimawandel, 62% (68% der Deutschen) vor der Terrormiliz „Islamischer Staat“, 61% (66%) vor Cyberattacken anderer Länder, 55% (47%) vor dem Atomwaffenprogramm Nordkoreas, 50% (29%) hinsichtlich des Zustands der Weltwirtschaft, 45% (49%) vor der Macht und dem Einfluss der USA, 36% (30%) vor Russland sowie 35% (33%) vor China.